JNG #307: Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen im Strafrecht

Lesezeit: 4,5 Minuten

Macht es in einer bestimmten Situation rechtlich eigentlich einen Unterschied, ob du aktiv etwas tust oder einfach nur nicht handelst? Im Strafrecht AT sorgt die Abgrenzung von „Tun“ und „Unterlassen“ immer wieder für Kopfzerbrechen – vor allem in Examensklausuren. Leider ist es bei Weitem nicht genug, irgendwas von „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ zu faseln. Die Abgrenzungskriterien sind größtenteils schwammig.

Die gute Nachricht: Allein schon dadurch, dass du ein einziges Mal intensiv über diese Frage nachdenkst, erarbeitest du dir einen echten Vorsprung in deiner Examensvorbereitung. Lass uns einsteigen.

 

Warum ist die Abgrenzung so tricky?

Die meisten von uns denken beim Lesen von Straftatbeständen im StGB zunächst an ein aktives Verhalten: Jemand schlägt zu, jemand sticht zu, jemand nimmt sich etwas, was ihm nicht gehört. Doch das Strafrecht bestraft auch das bloße Nichthandeln – wenn eine Pflicht zum Handeln besteht.

Diese Abgrenzung taucht in Klausuren häufig auf, weil sie im ersten Moment nach Schwarz oder Weiß klingt: Entweder man macht etwas oder eben nicht. In der Praxis – und damit auch in den Prüfungen – gibt es aber immer wieder grenzwertige Fälle. Dort musst du genau hinschauen, um zu erkennen, wann ein Tun vorliegt, obwohl es auf den ersten Blick ein Unterlassen zu sein scheint (und umgekehrt). Dazu gleich mehr.

 

Grundprinzipien der Abgrenzung

  • Aktives Tun
    Ein „Tun“ liegt vor, wenn jemand durch positives Verhalten eine Kausalkette in Gang setzt oder aufrechterhält. Vereinfacht gesagt: Du bewegst aktiv einen Stein, der dann ins Rollen kommt und jemanden verletzt. In Klausuren erkennst du das meistens daran, dass du klar benennen kannst, welche Handlung den Erfolg herbeigeführt hat.
  • Unterlassen
    Von einem Unterlassen spricht man, wenn jemand eine rechtlich geforderte Handlung nicht vornimmt, obwohl er entweder durch Gesetz (z. B. Garantenstellung aus familiärem Verhältnis) oder durch sein Vorverhalten dazu verpflichtet gewesen wäre. Klassisches Beispiel: Du beobachtest, wie dein kleines Geschwisterkind in den Pool fällt, greifst aber nicht ein, obwohl du eine familiäre Schutzpflicht hast und ohne Risiko für dich helfen könntest.
  • Wichtiger Prüfungsbaustein
    Vor allem bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen in strafrechtlichen Klausuren ist relevant, wer eine Pflicht hat (Garantenstellung) und ob durch das „Tätigwerden“ oder „Nicht-Tätigwerden“ die Kausalität begründet oder aufrechterhalten wird.

 

Zur persönlichen Reflexion: Die verstellte Fluchttür

Stell dir folgende Situation vor: Du bist in einem Gebäude, in dem es plötzlich zu brennen beginnt. Eine wichtige Fluchttür ist teilweise durch einen schweren Schrank blockiert, sodass nur Menschen wie ich, die kaum was wiegen, ins Freie gelangen können. Du findest das unfair und entscheidest dich, den Schrank zur Seite zu schieben – allerdings so, dass er jetzt den Weg für alle versperrt. Einige Leute schaffen es nicht rechtzeitig hinaus, weil sie mit dem Schrank kämpfen müssen. Ist das jetzt ein Tun oder ein Unterlassen?

  • Naheliegend wäre zu sagen: Du hast ja etwas gemacht, also ein aktives Tun.
  • Knifflig wird es, wenn du – anders als oben – den Schrank nicht angerührt hättest, obwohl du die Pflicht hattest, ihn zu entfernen (z. B. weil du der Sicherheitsbeauftragte bist). In dem Fall könnte man auch an ein Unterlassen denken, wenn dir die Pflicht obliegt, Fluchtwege freizuhalten, und du dieser Pflicht nicht nachgekommen bist.

Richtig spannend (zumindest für mich 🤣) sind Fälle, in denen du zwar etwas tust (= den Schrank verschieben), aber dieses Verhalten inhaltlich so nah am Nichthandeln liegt, dass es diskutabel wird, ob du tatsächlich ein neues Risiko geschaffen hast oder lediglich deinen bestehenden Pflichten nicht nachgekommen bist. In einigen gerichtlichen Entscheidungen hing die Bewertung deshalb vom konkreten Sachverhalt und der sog. „Tatherrschaft“ ab: Wer hatte die Kontrolle über die Situation, und wer war verpflichtet, den Gefahrenerfolg zu verhindern? Mit entsprechender Begründung – wie es so schön heißt – ist so gut wie alles vertretbar.

 

👉🏻 Was denkst du? Schreib dir deine Antwort samt Begründung auf und mach sie dir auf Wiedervorlage. Hat sich dein Blick auf die Frage ein paar Tage später verändert?

 

Prüfungsstruktur für deine Klausur

  1. Begehungsweise
    • Aktives Tun? Prüfe, ob durch eine bestimmte Handlung eine Ursache gesetzt wurde.
    • Unterlassen? Prüfe, ob eine Garantenstellung (z. B. aus Gesetz, Vertrag, Ingerenz) besteht und ob durch das Nichthandeln der tatbestandliche Erfolg herbeigeführt wurde.
  2. Kausalität
    • Beim Tun: Hat die Handlung den Erfolg verursacht?
    • Beim Unterlassen: Wäre der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei pflichtgemäßem Alternativverhalten ausgeblieben?

 

Spiel deinen Vorteil aus

Du siehst, die Abgrenzung von Tun und Unterlassen ist im Strafrecht AT nicht bloß Theorie, sondern hat ganz reale Konsequenzen – auch für deine Examensvorbereitung. Wenn du verstehst, wie du in der Klausur zwischen aktivem Tun und (relevantem) Unterlassen unterscheiden kannst, wirst du Punkte holen, die deine Kommilitonen liegen lassen.

 

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