JNG #234: Wann du Tatbestandsmerkmale ignorieren kannst



Lesezeit:
3,5 Minuten

Willkommen zu Ausgabe #234 des Newsletters!

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Wenn du dir vorab einen Überblick über die Inhalte dieser Ausgabe verschaffen möchtest, lies am besten als Erstes die folgende Zusammenfassung.


TL;DR:

  • Schon eine Analyse auf natürliche Frequenz zeigt die Bedeutung negativer Tatbestandsmerkmale im Zivilrecht.
  • Universell einsetzbare Prüfungsschemata enthalten keine negativen Tatbestandsmerkmale.
  • Negative Tatbestandsmerkmale sind nur dann im Gutachten aufzugreifen, wenn sie im Sachverhalt Anklang finden.

 

***

 

Eine Stichwortsuche im BGB genügt, und du stellst fest, dass es im Zivilrecht sehr, sehr viele negative Tatbestandsmerkmale gibt. Tippst du in der PDF-Version »nicht« in die Suchmaske ein, erhältst du über 2.500 Treffer. Ich würde dir zwar nicht empfehlen, so vorzugehen, um sämtliche negativen Tatbestandsmerkmale aufzuspüren; der Test beweist jedoch ihre Wichtigkeit.

Dieser Beitrag soll anhand einiger examensrelevanter Normen aufzeigen, welche Stellung negative Tatbestandsmerkmale in deiner Prüfungsvorbereitung einnehmen sollten und wann du sie getrost ignorieren kannst. Dafür musst du das jedoch das Konzept dahinter verstanden haben.


Überlegen wir zunächst gemeinsam, wann etwas wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks oder Gebäudes ist. Die dafür maßgebliche Norm ist § 94 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB. Dort heißt es:

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen.

So weit, so verständlich. Allerdings existieren neben § 94 BGB noch zwei weitere sog. Hilfsnormen, die negative Tatbestandsmerkmale enthalten:


95 Abs. 2 BGB. Nur vorübergehender Zweck
Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

Das negative Tatbestandsmerkmal wird deutlich, wenn du das Wörtchen »nicht« rot markierst.


Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck in ein Gebäude eingefügt sind, gehören nicht zu den Bestandteilen des Gebäudes.

Sehen wir uns nun die zweite Hilfsnorm an.


97 Abs. 1 S. 1 BGB. Zubehör
Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen.

Nicht ganz so offensichtlich wie im ersten Beispiel, doch auch hier wird das negative Tatbestandsmerkmal durch eine entsprechende Markierung offenbar.


Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen.

Nachdem wir alle drei Vorschriften in den Blick genommen haben, können wir ein universell einsetzbares Prüfungsschema entwickeln, das lediglich die zwingenden Voraussetzungen umfasst:


I. Sache
II. mit Grund und Boden verbunden
III. fest

Anmerkung: Der Aufbau erfolgt hier bewusst sehr feingliedrig. Das wird in den seltensten Fällen der Klausurbearbeitung nötig sein.

Wie sieht ein Prüfungsschema inkl. negativer Tatbestandsmerkmale aus? (negative Tatbestandsmerkmale in weichem Blau)


I. Sache
II. mit Grund und Boden verbunden
III. fest
IV. keine Einfügung zu einem nur vorübergehenden Zweck

V. kein Zubehör

Warum habe ich die negativen Tatbestandsmerkmale anders eingefärbt? Weil du sie nur dann im Prüfungsschema erwähnst, wenn sie im Sachverhalt als Rechtsfrage aufgeworfen sind, sich also ein entsprechender Hinweis darauf findet, den du in deinem Gutachten aufgreifen kannst und sollst (Echo-Prinzip).

Beachte: Auch § 107 BGB enthält ein negatives Tatbestandsmerkmal (»nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt«). Daraus kann abgeleitet werden, dass der Gesetzgebende den tatsächlich einfachen Fall der Vorschrift gerade darin erkannt hat, dass der Minderjährige eine Willenserklärung abgibt, durch die er einen rechtlichen Nachteil erlangt. 

Sehen wir uns noch ein weiteres Beispiel an … 


122 BGB. Schadensersatzpflicht des Anfechtenden
(1) Ist eine Willenserklärung (…) aufgrund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem (…) den Schaden zu ersetzen, den der andere (…) dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere (…) an der Gültigkeit der Erklärung hat.
(2) Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund (…) der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste).

Daraus ergeben sich die folgenden – zwingenden – Voraussetzungen:


I. Anfechtung empfangsbedürftiger Willenserklärung aufgrund §§ 119 f. BGB
II. Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung
III. Schaden

… und so sieht das Prüfungsschema inkl. negativer Tatbestandsmerkmale aus:

I. Anfechtung empfangsbedürftiger Willenserklärung aufgrund §§ 119 f. BGB

II. Vertrauen auf die Gültigkeit der Erklärung
III. Schaden
IV. keine Kenntnis vom Grund der Anfechtbarkeit

V. keine fahrlässige Unkenntnis vom Grund der Anfechtbarkeit

Exkurs: Wenn du dich bereits mit der dogmatischen Einordnung des Erlaubnistatbestandsirrtums befasst hast, wirst du sicher über die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen gestolpert sein. Diese betrachtet den rechtfertigenden Tatbestand eines Delikts ebenso als negatives Tatbestandsmerkmal. Daher findet sich im Aufbau des objektiven Tatbestands auch ein negatives Tatbestandsmerkmal, das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsgründen.


MVA:

Es ist toll, dass du diesen Newsletter bis zum Ende gelesen hast, aber wenn du nicht in die Umsetzung kommst, hast du allenfalls brauchbaren Input erhalten. MVA steht für minimum viable action – der erste (offensichtliche) Schritt in die richtige Richtung. Eine MVA ist in der Regel leicht zu identifizieren, einfach durchzuführen und sollte in den nächsten 24 Stunden getan werden. Sobald du den ersten Schritt identifiziert hast, fühlt sich jedes Projekt sofort weniger überwältigend an.

Dein erster Schritt: Entwickle ein universell einsetzbares Prüfungsschema zu den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB.

 


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