JNG #231: Alles zum Diebstahl in vier Minuten 🚤

Lesezeit: 4 Minuten

Willkommen zu Ausgabe #231 des Newsletters!


Wenn du dir vorab einen Überblick über die Inhalte dieser Ausgabe verschaffen möchtest, lies am besten als Erstes die folgende Zusammenfassung.

TL;DR:

  • § 242 Abs. 1 StGB regelt den Grundtatbestand des Diebstahls mit den Merkmalen Wegnahme, Vorsatz und Zueignungsabsicht.
  • § 243 Abs. 1 StGB ist kein eigener Tatbestand, sondern ein Strafbemessungsgrundsatz für besonders schwere Fälle des Diebstahls und wird nach der Schuld geprüft.
  • § 244 Abs. 1 StGB stellt eine Qualifikation des Diebstahls dar und wird innerhalb des Tatbestandes geprüft.
  • Es gibt bestimmte Konstellationen, in denen § 243 Abs. 1 StGB nicht bei der Strafbemessung berücksichtigt werden darf.

 

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Die §§ 242–244 StGB gehören zum absoluten Standardrepertoire von Klausuren im Grund- und Hauptstudium und erst recht im Examen. Schon ein kurzer
dejure-Check ergibt, dass bereits 2.839 Entscheidungen (Stand 24. Juli 2023) allein zum Grundtatbestand ergangen sind. Daraus lassen sich ganz viele schöne Klausuren zaubern. 😨 Heißt für uns: Beim Diebstahl machen wir keine Abstriche.

Bevor wir uns genauer mit den Inhalten der §§ 242–244 StGB beschäftigen, sollten wir alle drei Normen kurz dogmatisch einordnen – denn davon hängt letztlich auch ab, wo du sie im Gutachten verorten musst.


I. Dogmatische Einordnung
Dass es sich bei § 242 Abs. 1 StGB um den gesetzlichen Tatbestand des Diebstahls handelt, muss ich dir wahrscheinlich nicht sagen. Schwieriger wird es allerdings bei § 243 Abs. 1 StGB. Die Vorschrift sieht zwar aus wie ein weiterer Tatbestand, ist jedoch ein Strafbemessungsgrundsatz in Form eines sog. Regelbeispiels (dazu und zu ihrem Prüfungsstandort gleich mehr).


244 Abs. 1 StGB stellt wiederum eine Strafschärfung zu § 242 Abs. 1 StGB und damit eine Qualifikation dar; das kennst du bereits von den §§ 223, 224 StGB. Betrifft der Wohnungseinbruchdiebstahl eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, schärft das die Strafe des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB erneut.

II. Gesetzliche Systematik
Zu den (auch von mir) viel zitierten Basics, zählt immer auch die gesetzliche Systematik aller wesentlichen Normen. Diese musst du verstanden haben, wenn du das richtige Aufbauschema entwickeln willst. Jedes strafrechtliche Aufbauschema beinhaltet zumindest ein Tatbestandsmerkmal, ein entsprechendes subjektives Element sowie Rechtswidrigkeit und Schuld.


§ 242 Abs. 1 StGB. Diebstahl

I. Tatbestand

1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
2. Vorsatz (unbedingt § 15 StGB beachten)
3. Zueignungsabsicht

Bei der Zueignungsabsicht handelt es sich um eine sog. überschießende Innentendenz. In der Außentendenz (also äußerlich und objektiv) muss keine Zueignung erfolgen; der Täter muss sie bei Begehung der Tat (vgl. § 8 S. 1 BGB) jedoch beabsichtigen. Die überschießende Innentendenz ist das Gegenstück zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit (bekannt etwa aus § 231 Abs. 1 StGB).

4. Rechtswidrigkeit der Zueignung

Die Zueignung müsste rechtswidrig sein und der Täter dies wissen.

II. Rechtswidrigkeit; Schuld

§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 StGB. Besonders schwerer Fall des Diebstahls

I. Tatbestand

1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
2. Vorsatz, § 15 StGB
3. Zueignungsabsicht
4. Rechtswidrigkeit der Zueignung

II. Rechtswidrigkeit; Schuld

III. Strafbemessung, § 243 Abs. 1 StGB

243 Abs. 1 StGB prüfst du – anders als einen Qualifikationstatbestand – erst nach der Schuld. Ansonsten begehst du einen Rechtsfehler, der sich leicht vermeiden lässt.

§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 StGB. Diebstahl mit Waffen, Bandendiebstahl; Wohnungseinbruchsdiebstahl

I. Tatbestand

1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache

2. Strafschärfung, § 244 Abs. 1 StGB

Hier siehst du direkt den Unterschied zu § 243 Abs. 1 StGB. Strafschärfungen wie diese berücksichtigst du innerhalb der Tatbestandsprüfung, aber vor dem Vorsatz, der sich schließlich auch auf die Qualifikationsmerkmale erstrecken muss.

3. Vorsatz, § 15 StGB
4. Zueignungsabsicht
5. Rechtswidrigkeit der Zueignung

II. Rechtswidrigkeit; Schuld

III. Bestehende Spannungsverhältnisse
Einige der zuvor genannten Vorschriften stehen in einem Spannungsverhältnis. Um einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vorzubeugen, sollte § 243 Abs. 1 StGB nur dann bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden, wenn der Unrechtsgehalt gegenüber der Verwirklichung des § 244 Abs. 1 StGB noch gesteigert ist.


1. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB (ggf. i. V. m. Abs. 4)  ⇄  § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB

Jede Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist immer auch ein anderer umschlossener Raum. Da sich die Tatbestandsvoraussetzungen ansonsten vollständig decken, kommt eine Berücksichtigung von § 243 Abs. 1 StGB im Rahmen der Strafbemessung nicht in Betracht.

2. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB  ⇄  § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Ich kann mir keine Bande ausmalen, die das nicht auch gewerbsmäßig macht. Insofern käme ich zu dem Ergebnis, dass die Tatbestandsverwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB keinen Raum mehr für eine Strafbemessung über § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB lässt.

3. § 244 Abs. 1 Nr. 1a) StGB  ⇄  § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 StGB

243 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 StGB ist eigentlich witzlos für Klausuren; wir studieren doch keine Waffen, sondern Paragrafen. Der/die Klausursteller*in müsste dann schon genaue Angaben zur Beschaffenheit des gestohlenen Gegenstands machen, damit wir vernünftig subsumieren können. Arg unwahrscheinlich.
Für den Fall der Fälle: Wer sich im Zeitraum zwischen unmittelbarem Ansetzen und Vollendung der Tat mit der Waffe versieht, führt sie auch bei sich. Insofern ist ein Zusammentreffen der beiden Vorschriften zumindest denkbar.

MVA:

Es ist toll, dass du diesen Newsletter bis zum Ende gelesen hast, aber wenn du nicht in die Umsetzung kommst, hast du allenfalls brauchbaren Input erhalten. MVA steht für minimum viable action – der erste (offensichtliche) Schritt in die richtige Richtung. Eine MVA ist in der Regel leicht zu identifizieren, einfach durchzuführen und sollte in den nächsten 24 Stunden getan werden. Sobald du den ersten Schritt identifiziert hast, fühlt sich jedes Projekt sofort weniger überwältigend an.

Dein erster Schritt: Schlage als Nächstes die §§ 249 ff. StGB auf. Ordne § 251 StGB dogmatisch ein. Entwirf anschließend eigenständig ein Aufbauschema zu den §§ 249 Abs. 1, 251 StGB.


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