JNG #220: Die Argumentation ergibt sich fast schon beiläufig 😎

Lesezeit: 3 Minuten

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In dieser Woche setzen wir unsere kleine Strafrechtsreihe fort. Nachdem wir uns letzten Mittwoch einen Überblick über den wichtigsten Fall der Gesetzeskonkurrenz – die Spezialität – verschafft haben, schließt sich nun der Kreis, und wir kommen auf § 28 Abs. 2 StGB zurück (der Gegenstand von Ausgabe #218 war).

Um § 28 Abs. 2 StGB überhaupt anwenden zu können, muss das in Rede stehende besondere persönliche Merkmal die Strafe des Beteiligten tatsächlich schärfen. Dies wäre der Fall, wenn es sich bei der Tatbestandsverwirklichung des Mordes um eine Qualifikation zu der des Totschlags handeln würde; die Strafe würde dann von Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren (§ 212 Abs. 1 StGB) auf lebenslange Freiheitsstrafe (§ 211 Abs. 1 StGB) geschärft.

Die Frage, ob es sich bei der Tatbestandsverwirklichung des Mordes um eine Qualifikation zu der des Totschlags handelt, stellt sich praktisch über das gesamte Jura-Studium in allen Semestern und erst recht in der Examensvorbereitung immer wieder. Deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle deiner Reinschrift in der Lage zu sein, schnell einen Schreibfluss herzustellen. Das gelingt dadurch, dass du hierzu einen klausurtauglichen Textbaustein entwickelst und speicherst.

In diesem Beitrag teile ich ebendiesen Textbaustein mit dir und versehe ihn zwischendurch mit didaktischen Hinweisen, damit du erkennst, wie ich denke, und lernst, dir selbst Textbausteine zurechtzulegen. Die Argumentation ergibt sich fast schon beiläufig, wenn man das Verhältnis von § 212 Abs. 1 zu § 211 StGB mit den klassischen Auslegungsmethoden zu klären versucht.

In jeder meiner Falllösungen, in denen dieses Problem auftaucht, finden sich also fast wortlautgleich die folgenden Ausführungen:

Gegen ein Qualifikationsverhältnis der beiden Tatbestandsverwirklichungen zueinander spricht zunächst, dass die amtliche Überschrift von § 211 StGB zu „weit weg” von der des § 212 Abs. 1 StGB zu sein scheint; eine Formulierung wie „schwerer Totschlag” würde bei einem Qualifikationstatbestand näherliegen. Auch die Formulierung „Mörder ist, wer …” lässt eher auf eine Typisierung als auf eine Strafschärfung schließen (vgl. „Totschläger”, § 212 Abs. 1 StGB). Beides geht jedoch auf den während des Dritten Reichs unternommenen Versuch zurück, Individuen Gruppen oder Klassen von Straftätern zuzuordnen.

Wir beginnen mit einer umfassenden Auslegung des Wortlauts anhand der amtlichen Überschriften (die wir schließlich zur Auslegung heranziehen dürfen, so auch im BGB). Wichtig ist, dass wir diese Auslegung völlig wertfrei vornehmen und erst dann einlenken („Beides geht jedoch auf … zurück”).

Der Wortlaut des § 212 Abs. 1 StGB könnte hingegen Rückschlüsse auf das Verhältnis der Tatbestände zulassen. Durch die Formulierung „ohne Mörder zu sein” wird nämlich auf § 211 StGB Bezug genommen, was für einen Grundtatbestand äußerst untypisch wäre; vielmehr ist es im Normalfall genau umgekehrt (vgl. § 224 Abs. 1 StGB: „Wer die Körperverletzung”).

Wir leiten sanft über zur systematischen Auslegung … 

Genauso unüblich wäre die systematische Stellung durch die Platzierung des Qualifikations- vor dem Grundtatbestand, was der Gesetzgebende ebenfalls genau umgekehrt in den §§ 223, 242, 249 StGB gelöst hat. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Besondere Teil insgesamt nicht logisch geordnet ist. Die bekanntesten Tatbestände –  so denn auch der Mord – stehen ausnahmslos am Anfang des jeweiligen Abschnitts.

Wie oben: Wir legen völlig wertfrei aus und lenken dann ein („Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen …”).

Für ein Qualifikationsverhältnis lässt sich indes anführen, dass die  Strafermöglichungs- und Strafverdeckungsabsicht überschießende Innentendenzen sind (vgl. Wortlaut „um”), die – genau wie in den §§ 306b Abs. 2 Nr. 2, 315 Abs. 3 Nr. 1b) StGB – typisch für eine Strafschärfung sind.

Das ist schon ziemlich skilled, insbesondere der Vergleich zu den §§ 306b Abs. 2 Nr. 2, 315 Abs. 3 Nr. 1b) StGB. Das erwartet niemand von dir – und umso mehr kannst du beeindrucken.

In der Gesamtschau ergibt sich, dass die Aufzählung der Mordmerkmale in § 211 Abs. 2 StGB alle Kennzeichen einer Strafschärfung aufweist, was letztlich auch die Aussage erlaubt, dass in jeder Verwirklichung des Mordes eine solche des Totschlags steckt.

… womit wir wieder bei der Spezialität wären. 😊

Bis nächste Woche!

  


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