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Willkommen zu Ausgabe #202 des Newsletters!
Wenn du dir vorab einen Überblick über die Inhalte dieser Ausgabe verschaffen möchtest, lies am besten als Erstes die folgende Zusammenfassung.
TL;DR:
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In beiden Staatsexamina ist das Versäumnisurteil eine beliebte Einkleidung. Wenn du noch im Studium bist und dich auf das erste Staatsexamen vorbereitest, wirst du feststellen, dass dich das Versäumnisurteil wegen der Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 ZPO zu einer ganz normalen materiell-rechtlichen Prüfung führt. Bist du hingegen schon im Referendariat, wirst du (überschaubaren) Herausforderungen im Bereich der Antrags- und Tenorierungstechnik begegnen. Die Dogmatik des Versäumnisurteils ist für dich in den meisten Fällen gar nicht so spannend. In jedem Fall musst du nur ein paar Grundprinzipien verstanden haben, um sicher ans Ziel zu kommen.
I. DAS IST DER ZWECK DES VERSÄUMNISURTEILS
Die Parteien eines Zivilprozesses bestimmen durch Anträge und Sachvortrag den Inhalt und das Ziel des Zivilprozesses. Das funktioniert aber nur, wenn beide Parteien auch aktiv am Prozess teilnehmen. Das Versäumnisurteil dient dem Zweck, den Zivilprozess zum Abschluss zu bringen, wenn eine Partei nicht mitwirkt und in der mündlichen Verhandlung (§ 331 Abs. 1 ZPO) oder im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) säumig bleibt.
Das erste Versäumnisurteil muss nicht endgültig sein. Die säumige Partei kann mit einem fristgebundenen Einspruch gemäß den §§ 338, 342 ZPO den Prozess in den Stand vor Erlass des Versäumnisurteils zurückversetzen lassen. Kritisch wird es erst, wenn eine Partei nach dem Einspruch im sogenannten Einspruchstermin erneut säumig wird und ein nicht mehr so einfach zu beseitigendes zweites Versäumnisurteil nach § 345 ZPO ergeht.
Die ZPO unterscheidet zwischen dem Versäumnisurteil gegen den Kläger (§ 330 ZPO) und dem Versäumnisurteil gegen den Beklagten (§ 331 ZPO). Klausurrelevanz hat nur das Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlangt, da die materielle Rechtslage beim Versäumnisurteil gegen den Kläger in der Regel nicht zu prüfen ist.
II. DAS PRÜFST DU IN DER KLAUSUR
Was du in der Klausur prüfst, hängt ein wenig davon ab, ob du dich auf das erste oder das zweite Examen vorbereitest.
1. Im ersten Examen
Im ersten Examen gibt es dem Grunde nach nur eine Konstellation, nämlich, dass der Beklagte im Zivilprozess säumig ist und der Kläger daraufhin ein Versäumnisurteil beantragt. Die Frage ist fast immer, wie das Gericht entscheiden wird. Da das Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 1 ZPO antragsbedürftig ist, wird der Sachverhalt wahrscheinlich deutlich auf die Problematik hinweisen. Das Prüfungsprogramm ist dann immer das Gleiche:
Die Zulässigkeitsprüfung funktioniert wie gewohnt. Die Voraussetzungen eines Versäumnisurteils findest du hingegen in § 331 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Im Einzelnen sind das:
Hierbei musst du zwischen dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (»Ich beantragte ein Versäumnisurteil«) und dem Sachantrag (»Ich beantrage, den Beklagten zur Zahlung von 1.000,- EUR zu verurteilen«) unterscheiden. Nur wenn beides vorliegt, kommt der Erlass eines Versäumnisurteils überhaupt in Betracht.
Die Säumnis des Beklagten bereitet meist keine Probleme. Sie liegt vor, wenn der Beklagte unentschuldigt keinen Sachantrag in der mündlichen Verhandlung stellt. Unerheblich ist hingegen, ob er vorher anwesend war oder sich an einer vorausgegangenen Güteverhandlung beteiligt hat (Stichwort: Flucht in die Säumnis).
Der Kern der Prüfung bleibt die Schlüssigkeit der Klage. Hier prüfst du letztlich nichts anderes als sonst auch, nämlich, ob dem Kläger der begehrte Anspruch zusteht. Auf etwaiges Gegenvorbringen des Beklagten kommt es nicht an, da der Vortrag des Klägers nach § 331 Abs. 1 ZPO als zugestanden gilt.
2. Im zweiten Examen
Die gleiche Konstellation kann dich auch im zweiten Examen erwarten. Dort ist sie aber deutlich seltener, denn du sollst ja gerade zeigen, dass du einen mehrschichtigen Sachverhalt prüfen und juristisch bearbeiten kannst.
Für dich sind Konstellationen relevanter, in denen schon ein Versäumnisurteil ergangen und nun ein Einspruch dagegen eingelegt ist. Denn dann kannst du die Voraussetzungen des Einspruchs prüfen und anschließend eine »normale« Prüfung vornehmen.
Die Voraussetzungen des Einspruchs sind freilich nicht gerade kompliziert. Du musst vordergründig die Frist nach § 339 ZPO beachten und im Gutachten daran denken, eine Rechtsbehelfs-/ Einspruchsstation vorzuschalten. Die Besonderheiten liegen für dich primär bei der Tenorierung respektive beim Antrag.
III. DAS IST DEIN TENOR
Mach dir klar, dass bei einer Entscheidung nach Einspruch schon ein Urteil in der Welt ist und du deinen Tenor beim anschließenden Endurteil darauf abstimmen musst. Hier existieren im Wesentlichen drei Konstellationen:
1. Das Versäumnisurteil deckt sich mit dem nun zu erlassenden Endurteil
Dann hältst du das Versäumnisurteil aufrecht:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Wanne-Eickel vom 02.01.2021, Az. 11 O 123/19, wird aufrechterhalten.
2. Das Versäumnisurteil deckt sich gar nicht mit dem nun zu erlassenden Endurteil
Dann hebst du das Urteil auf und entscheidest in der Sache neu:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Wanne-Eickel vom 02.01.2021, Az. 11 O 123/19, wird aufgehoben und der Beklagte zur Zahlung von 1.000,- EUR an den Kläger verurteilt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Oder:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Wanne-Eickel vom 02.01.2021, Az. 11 O 123/19, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
3. Das Versäumnisurteil deckt sich nur teilweise mit dem nun zu erlassenden Endurteil
Dann ordnest du die Aufrechterhaltung/ Aufhebung nur teilweise an:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Wanne-Eickel vom 02.01.2021, Az. 11 O 123/19, wird insoweit aufrechterhalten, wie der Beklagte zur Zahlung von 1.000,- EUR verurteilt worden ist. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Anträge des Rechtsanwalts spiegeln die entsprechenden Tenorierungen.
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